Dienstag, 25. Februar 2014

Mail an Berliner Kurier: Warum Umfrage?


Sehr geehrte Damen und Herren,

zu der Ihrerseits abrupt beendeten Online-Umfrage bezüglich der Umbenennung der U-Bahn-Station M-Straße in Nelson-Mandela-Straße möchte ich Folgendes anmerken:

Unabhängig davon, dass zuletzt offenbar 49% der Befragten für eine Umbenennung waren, frage ich mich, wozu Sie überhaupt eine Umfrage gestartet haben.

Zwar zeichnet sich die Demokratie dadurch aus, dass die Mehrheit regiert. Es ist jedoch nicht zuletzt aus menschenrechtlichen Gesichtspunkten allgemein anerkannt, dass auch und gerade in einem demokratischen Staat unabhängig vom Willen der Mehrheit ein Minderheitenschutz unentbehrlich ist. Dass die Mehrheit nicht immer Recht hat und sogar ein großes Unrecht begehen und zahlreiche Menschenleben vernichten kann, zeigt uns die deutsche Geschichte. Respekt und Wertschätzung gegenüber Menschen anderer Hautfarben entgegenzubringen ist gerade in Deutschland unabdingbar. Und dies unabhängig davon, was die "Mehrheit" denkt.

Es ist Aufgabe des Staates und auch der Medien, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass Menschen mit unterschiedlichen ethnischen Wurzeln in Deutschland friedlich miteinander zusammenleben können. Dabei müssen sie notwendigenfalls die Bevölkerung über Hintergründe aufklären. Es ist kontraproduktiv, wenn die Medien den Pöbel gewähren lassen oder gar Ressentiments gegen Minderheiten schüren.

Insofern kann ich nicht nachvollziehen, wozu Sie die Umfrage durchgeführt haben. Ich frage mich, ob es eventuell eine Stimmungsmache gegen eine in Deutschland lebende Minderheit ist, obwohl die Minderheit nur den Respekt einfordert, wie er jedem einzelnen Menschen schon auf Grund des Mensch-Seins zusteht.

Ich bitte um Ihre Stellungnahme und behalte mir vor, diese und weitere E-Mails in dieser Angelegenheit zwecks Dokumentation und Aufklärung zu veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen

★★★★

Zum Hintergrund: Der Berliner Kurier (BK) hat letzte Woche eine Online-Umfrage wegen der Umbenennung der U-Bahn-Station M*-Straße in Nelson-Mandela-Straße durchgeführt. In der Ausgabe des BK vom 20.02.2014 wurde das angebliche Abstimmungsergebnis mitgeteilt: 10 % Ja, 87 % Nein. Bis zum Vorabend gegen 22 Uhr hatten jedoch scheinbar 49% der Befragten für eine Umbenennung gestimmt, bis BK die Online-Umfrage abrupt abgebrochen hat und keine weiteren Stimmen mehr abgegeben werden konnten. Den Angaben des BK zufolge soll das Ergebnis bei Redaktionsschluss um 17 Uhr 30 maßgeblich gewesen sein; spätere Stimmen habe er nicht mehr berücksichtigt. Es sei ein Versehen, weshalb die Online-Umfrage noch nach Redaktionsschluss weitergelaufen sei.

Hört sich für mich nach einer fadenscheinigen Ausrede an. Sollte sich BK aufrichtig für das Abstimmungsergebnis interessieren, hätte er doch das Abstimmungsergebnis online und off-line nachträglich aktualisieren können. Ich frage mich, ob es diesbezüglich nicht ein Gegendarstellungsrecht gibt.

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